Freitag, 15. August 2014

The Art of Orange Picking




Wichtig ist der richtige Mix aus „Twist and Pull“ und die Bereitschaft, sich an den Dornen seine kompletten Unterarme zu zerkratzen und auszusehen wie ein 14-jähriger Emo. Ja, Orangenpflücken ist kein Zuckerschlecken, aber machbar. Die winterlichen Temperaturen hatten zwar zur Folge dass wir immer erst spätmorgens und manchmal sogar erst mittags anfangen konnten (heißt bei Bezahlung pro gepflückter Körbe („Bins“): man verdient nicht wirklich gut – gelinde gesagt), aber immerhin gab es kaum eklige Insekten in den Bäumen. Bis auf ein paar Schnecken, eine Wanze und ein paar mini-Spinnen lief mir jedenfalls keinerlei Getier über den Weg. Immerhin.





 
Zwei Wochen Orangenpflücken (mit Abstechern ins Zitronen- und Mandarinenpflückergewerbe*) liegen nun hinter mir. Ich hatte regelmäßig einen halben Baum in meinen Haaren, unter meinen Fingernägeln oder unter meiner Haut (autsch), aber trotzdem nur 350 Dollar die Woche verdient. Und wir (ich pflückte eine Woche mit einem Australier und eine Woche mit einem Kiwi im Team) waren jedes Mal das schnellste Team. Haha. Ja. Kein Scherz. Und deshalb auch kein Wunder dass die einzigen, die dort länger arbeiten, Asiaten sind, die einfach nur schnell, ohne viel Englisch sprechen zu müssen ihr Second Year Visa (das kann man erst nach 88 Tagen absolvierter Farmarbeit beantragen) haben wollen. Alle anderen hauen spätestens nach ein paar Tagen ab (so auch Luka, die es sich jetzt in Sydney gutgehen lässt). Hätte ich vermutlich auch gemacht wenn ich was für länger gesucht hätte (und weniger stur wäre). Aber aus Zeitmangel beließ ich es bei der Plackerei für einen Hungerlohn. Immerhin waren die Leute nett. Das ist ja das Wichtigste. Und man gewöhnt sich nach einer Weile an alles. Auch an eine schäbige Trailerpark-Cabin, die kaum genug Platz für 2 Menschen bietet, aber an 4 vermietet wird, ein Loch im Boden hat durch das man das Gras sehen kann, löchrige (und kackenhässliche) Vorhänge aus den 60ern (die zu dieser Zeit auch das letzte Mal eine Waschmaschine gesehen haben), eine Spüle deren Abwassersystem aus einem Rohr besteht, das neben der ‚Eingangstür‘ endet, eine Eingangstür die auch im geschlossenen Zustand noch einen Spalt offen steht, eine nicht vorhandene Heizung gepaart mit einer nicht vorhandenen Isolierung (was bedeutet dass es bei nächtlichen Minusgraden draußen auch Minusgrade drinnen hat, was vor allem morgens bei Aufstehen lustig ist wenn man in seinem ‚Schlafzimmer‘ seinen eigenen Atem sehen kann), müffeligen Geruch und eine nicht zählbare Anzahl an Kakerlaken, Ameisen und anderem Getier, das in der Küchennische wohnt. Und eine riesige, handtellergroße Huntsman Spinne, die ich erst nach eineinhalb Wochen entdeckt und hinausbefördert habe (okay, das Hinausbefördern habe ich einem starken, mutigen Herren überlassen (Sexismusklischees olé!), der aber ebenfalls wie ein kleines Mädchen geschrien und sich fast in die Hose gemacht hat). Hab ich auch das erlebt. Na gut. Ich dachte ja, ich komm da drum rum – es sah bisher ja ziemlich gut aus mit den Spinnenbegegnungen.


Lange Rede, kurzer Sinn – nach 14 Tagen gab ich also meinen Känguru-Sammelsack zurück und entfloh in die süße Freiheit. Also nach Melbourne. Ist ja fast dasselbe.


(* Beim Zitronenpflücken verdient man noch weniger Geld als beim Orangenpflücken weil es ewig dauert, einen Bin vollzukriegen. Das einzig Gute daran ist der Geruch. Besser als mein Zitronenduschgel. Und wenn man dann denkt dass es nicht mehr schlimmer geht, dann schicken sie einen zum Mandarinenpflücken und nennen die Mandarinen einfach Afourer, was bedeutet dass man zwar dieselbe Arbeit macht, aber weniger Geld pro gepflückten Bin bekommt. Im schlimmsten Fall – bei sehr schlechten Bäumen – kommt man dann an einem Arbeitstag (der ausnahmsweise mal schon um 8 anfängt und wie immer um 5 endet) auf einen Bin und damit 55 Dollar pro Person. Hurra. Talk about Ausbeutung here. Ein Bin sind ca. 300 Kilo und jetzt rechnet mal wie viel so ein Bin bei einem Kilopreis von ca. 8 Dollar im Supermarkt wert ist. Richtig. Das einzig Gute am Obstpflücken ist das Obstklauen am Ende des Arbeitstages. Ich kaufe nie wieder Mandarinen im Supermarkt!)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen